"Ein Fußballspiel muss ein Spektakel sein"
Jürgen Klopp (46), Trainer von Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund, spricht im Weihnachts-Interview über Emotionen, das vergangene Jahr und Verpflichtungen für die Zukunft.
Täuscht der Eindruck, dass Sie immer häufiger genervt auf Fragen reagieren?
Klopp Unsere Mediendirektion hat mir schon vor geraumer Zeit gesagt, ich soll aufpassen, dass nicht alle Journalisten denken, dass ich denke: Die haben keine Ahnung. Es ist mir aber überhaupt nicht wichtig, jemandem so ein Gefühl zu geben. Ich reagiere immer nur auf das, was gefragt wird. Wenn es in meinen Augen Unsinn ist, dann fällt es mir schon mein Leben lang schwer, das zu ignorieren. Es stört mich, wenn einer in die Pressekonferenz kommt und komplett unvorbereitet ist und an nichts interessiert ist, was mit Fußball zu tun hat. Das Spiel in Hoffenheim war ein gutes Beispiel. Mehr Fußball, Leidenschaft und Chancen als da kann man nicht haben. Aber die Frage war die nach dem Zusammenstoß zwischen Reus und dem Linienrichter. Das empfinde ich als anstrengend.
Sie werden wahrscheinlich stärker wahrgenommen als früher.
Klopp Hundertprozentig. Ich trau' mich ja kaum noch, Interviews zu geben, weil Internetdienste es schaffen, einzelne Sequenzen herauszuziehen, die ich anschließend gar nicht mehr erkenne. Das hat mich immer schon gestört. Und ich hab' noch nicht gelernt, den Mund zu halten. Ich sage in Hoffenheim das Wort "Drecksleben", gehe aus dem Raum und denke: Klopp, was bist du für ein Idiot und wirfst denen auch noch was hin. Manche warten darauf, dass ich daneben greife.
Dabei wissen Sie doch, was die Medien haben wollen.
Klopp Ich habe volles Verständnis, da bin ich komplett im Thema. Schließlich habe ich bei Sat.1 ein Praktikum gemacht und fürs ZDF gearbeitet. Ohne Medien könnten wir auf jeder Spielfeldseite zwei Stöcke in die Erde hauen und untereinander Fußball spielen. Aber dann interessiert's keinen.
Die Weihnachtspause haben Sie sicher herbeigesehnt. Hat Weihnachten denn eine Bedeutung für Sie – außer der Tatsache, dass Ihre Spieler sich erholen können?
Klopp Ja, es ist die ruhigste Zeit im Jahr und die Familienzeit schlechthin. Es ist schön, dass dann die ganze Welt still steht – selbst im Fußball. Man kann komplett loslassen. Für mich als Trainer und Mensch ganz großartig. Für mich als Christ hat das Weihnachtsfest den Stellenwert, den es haben sollte.
Wenn Sie dann zur Ruhe kommen, wird Sie dieses vergangene Jahr beschäftigen?
Klopp Es war extrem, alles war dabei, was man so haben kann. Man könnte fast sagen, mit dem Tor von Arjen Robben im Champions League-Finale gingen unsere Probleme los. Die Mannschaft hat Unglaubliches geleistet. Fakt ist: Wir mussten uns nach dem 1:2 in London mit der Zukunft beschäftigen. Das haben wir durch sehr intensive Arbeit in der Sommerpause sehr gut hinbekommen. Und dann hat uns der Typ, der irgendwo fürs Verletzungspech zuständig ist, ganz übel mitgespielt.
Trotzdem ist Ihre Mannschaft nicht völlig von der Rolle gerutscht.
Klopp Sie hat das in einer außergewöhnlichen Art hinbekommen. Man muss ja sehen: Wir gelten als Spitzenmannschaft, werden als Spitzenmannschaft wahrgenommen, wir werden so bespielt. Aber manchmal steht BVB drauf, und es ist nach den vielen Verletzungen nur BVB light drin. Dennoch haben wir in dieser ganz intensiven Zeit die meisten Torchancen aller Mannschaften herausgespielt. Aber das Leben ist so: Wenn du 99 Prozent richtig machst, musst du auch noch das eine Prozent richtig machen, sonst kriegst du nichts dafür.
Frustriert hat Sie das nicht?
Klopp Es ist eine Freude, mit diesen Jungs zu arbeiten. Sie werden mit dem Druck fertig, gewinnen zu müssen. Das letzte Unentschieden, das für uns als Erfolg gewertet wurde, ist lange her. Diesen Druck haben wir uns erarbeitet.
Mit dieser Verletztenserie konnten Sie nicht rechnen.
Klopp Eine komplette Achse ist uns weggebrochen, das verändert das ganze Spiel. Zwei Innenverteidiger, zwei Außenverteidiger, zwei, drei defensive Mittelfeldpieler. Der ganze Aufbau ändert sich, aber am Ende kommen wir doch vors Tor. Das ist einfach stark. Wir sind ohne sieben aus dem Champions-League-Finale wieder ins Achtelfinale eingezogen. Dieses Halbjahr hat uns Stabilität gebracht, das ist das Beste, wenn es nicht zur absoluten Spitze reicht.
War das für Sie das schwierigste Halbjahr, seit Sie in Dortmund sind?
Klopp Nein, aber was Verletzungen betrifft, ist es das härteste meiner Trainerkarriere. Da kommt eine Diskussion auf, die an den Haaren herbeigezogen ist: Dass die Verletzungen mit unserer Spielweise zusammenhängen. Da muss man doch nur schauen, wer verletzt ist – und im Einzelfall, warum. Da merkt man schnell, dass das nichts miteinander zu tun hat. Das Gute daran ist, dass Erik Durm, Marian Sarr, Jonas Hofmann und andere die Chance bekommen, in einer Top-Bundesligamannschaft zu spielen.
No comments:
Post a Comment